02.05.2017
Mit dem Fokus auf Inhalte passt sich das
klassische Marketing an den Zeitgeist an. Gelten im Content Marketing nun neue
Regeln? Fest steht: Es geht nicht um einzelne Storys. Das ganze Konzept muss
angepasst werden. Da sich die Schwerpunkte verschieben, sind seine Bausteine
neu zu gewichten, Kompetenzen anzupassen. Kommunikationsberatern zufolge sind
Zeit, Geld und Ideen zentrale Erfolgsfaktoren.
Content Marketing
ist kein neues Marketing-Instrument. Es legt vielmehr die Elemente des gesamten
Marketingkonzepts neu aus, aktualisiert sie, ergänzt sie um neue Komponenten und
vernetzt alles viel stärker als bisher. Anpassungsbedarf gibt es nicht nur auf
strategischer Ebene. Betroffen ist auch die operative. Denn dort, in der Informations-
und Kommunikationspolitik, sind die neuen Online- und Social-Media-Massnahmen
angesiedelt. Wenn hochwertige Inhalte im Mittelpunkt stehen, ändert sich viel,
doch muss die Welt nicht neu erfunden werden. Content Marketing folgt lediglich
neuen Wegen zu altbekannten Zielen. Um Kunden zu finden und zu binden, startet
es bei den Menschen, ihren Wünschen und Bedürfnissen. Durch ihr völlig
verändertes Informations-, Kommunikations- und Kaufverhalten verändert sich
zwangsläufig das Konzept. Bestehende strategische Leitplanken müssen angepasst,
neue Massnahmen integriert werden. Was danach herauskommt, ist ein neues, auf
High Quality Content ausgelegtes Marketingmix. Soll es erfolgreich umgesetzt
werden, müssen alle im Unternehmen mitspielen. Wer das Verfassen schlüssiger
Konzept beherrscht, dürfte mit der neuen Art des Marketings aber kaum Probleme
haben.
Ein Perspektivenwechsel, der viel verändert
Die
Konzeptstruktur bleibt: Es geht um Ziele, Strategien und Massnahmen. Auch
Content Marketing basiert auf der Situationsanalyse, ordnet sich den Unternehmens-
und Marketingzielen unter und bezieht den Verkauf mit ein. Doch spätestens in
strategischen Fragen ist ein Perspektivenwechsel nötig, mit dem sich Schwerpunkte
und Kompetenzbereiche verschieben. Wurde
der Weg zum Ziel vorher aus Unternehmenssicht definiert, ist er nun aus
Sicht der Kunden zu betrachten: Sie selbst sollen auf den Content aufmerksam
werden, in dem Produkte und Marken sich unaufdringlich bekannt machen. Sie
sollen ihn interessant finden und weiter
empfehlen. Für diese Art des Pull-Marketings sind Kreativität und
journalistisches Wissen gefragt. Schliesslich müssen faszinierende, nützliche
und unterhaltsame, vor allem aber für Kunden relevante Inhalte erst gefunden, in
fesselnde Storys verpackt und dort platziert werden, wo sich die potenzielle
Kundschaft aufhält. Für all dies braucht es mehr Informationen als klassische
Zielgruppendefinitionen hergeben. Daher zieht Content Marketing den Kreis der
Adressaten nicht nur tiefer, sondern auch weiter: Es definiert „Personas“ und bezieht
auch Internet- und Social-Media-Aktivisten wie etwa „Influencer“ und
„Linkeratis“, aber auch unbekannte Dritte mit ein. Damit kommen neue Kompetenzfelder
wie Big Data und Analytics ins Spiel. In vielen Fällen sind zudem die eigenen
Medien – sogenannte Owned Media wie etwa Websites, Blogs oder Social Media
Accounts – auf- oder auszubauen, was personelle, finanzielle, technische und
organisatorische Fragen aufwirft. Und auf der operativen Ebene gibt es jede
Menge neuer Plattformen, Kanäle und
Formate zu entdecken, deren Nutzung medientechnisches Know-how verlangt. So ist es
nicht einfach, die Vorteile des Content Marketing – loyale Kunden, höhere
Reichweiten, geringere Kosten – auszuspielen.
Aspekte für den Content-Marketing-Erfolg
Stimmt das
Konzept, erfüllen sich die höheren Erwartungen, die Andreas Philipp,
Geschäftsbereichsleiter der Gassmann Digital AG, in Worte fasst: „Wie ist die Positionierung
meiner Marke, konnte eine höhere Visibilität erzielt werden? Konnte ich
mit der Kampagne neue Leads oder Kunden gewinnen? Und konnte eine nachhaltige
Kundenbindung erzielt werden?“, fragt er und verweist auf den springenden
Punkt: „Kurz gesagt: Content-Marketing
hat ein Ziel – verkaufen!“ Dies lässt sich mit dem neuen Marketing-Ansatz effektiver und
effizienter erreichen, doch sind dabei neue Hürden zu bewältigen. „Content Marketing lebt von Leidenschaft und der Bereitschaft, diese zu
teilen“, erklärt Florian Walz, CEO und Partner der Kommunikationsagentur Geyst
AG, fügt ein nachdrückliches „Regelmässig!“ hinzu und verweist auf den nötigen
Mut, sowohl inhaltlich als auch medientechnisch neue Wege zu gehen. „Wenn es
sein muss auch ohne vorgängige Messbarkeit und ohne Erfolgsgarantie!“ Ihm
zufolge sind clevere Ideen, hochwertige Inhalte und genügend Zeit die
verbindenden Elemente erfolgreicher Konzepte. „Die Idee gibt den Impuls,
schafft Aufmerksamkeit und Neugier“, betont Walz, „für Lebendigkeit,
Glaubwürdigkeit und Anteilnahme sorgt relevanter Inhalt“. Dieser könne
überraschend, ungefiltert, charmant oder auch ernst sein, „aber auf jeden Fall
sollte der Inhalt reichhaltig und hochwertig sein“. Auch Norman Bandi, Leiter der NZZ Content Solutions, bringt die
zentralen Erfolgsfaktoren einer Content-Marketing-Strategie präzise auf den
Punkt: „Zeit, Geld, Ideen.“ Die meisten Unternehmen wüssten
früh genug, welches Produkt oder welche Dienstleistung sie lancieren oder
welches Thema sie mit ihrer Marke inhaltlich besetzen wollen, meint er. Sei das
Motiv gefunden, liesse es sich recht einfach in Publireportagen oder Native
Advertising übertragen. „Content Marketing geht weiter“, betont Bandi, „dafür
braucht es die Stories hinter den Stories, die clever in ein Gesamtpaket
verpackt werden“. Dies erfordere genügend Vorlauf, entsprechende Mittel – und
vor allem einen stringenten, kreativen Ansatz.
Wo noch optimiert werden kann
Genau dort liegt Bandi zufolge
Optimierungspotenzial: „Weniger ist mehr“, erklärt er. Zu oft werde versucht,
alles auf einmal in Inhalt zu verwandeln. „Content Marketing funktioniert
übergeordnet“, erklärt er. Es gelte, die Kernbotschaft in Dosen für sich
sprechen zu lassen. Jedes Zielpublikum habe einen anderen Zugang zu Themen und
nutze andere Kanäle. „Eine Kommunikationslösung für alle gibt es nicht“,
folgert der Chef des Corporate-Publishing-Dienstleisters der
NZZ-Mediengruppe. „Die grosse Kunst dabei ist, die Marke
gekonnt in den Hintergrund treten zu lassen.“ Unternehmen, die dies
beherrschen, gab es schon immer. „Erfolgreiches Content Marketing kennen wir
bereits aus den 50er Jahren“, sagt Walz, doch hätten sich seither drei
Rahmenbedingungen verändert: die Vielseitigkeit der Content-Formate, die
interaktive Dynamik und die analytische Steuerung von Inhalten. „Daraus
eröffnen sich neue strategische Anwendungsbereiche, die noch lange nicht
ausgeschöpft sind“, betont der Geyst-CEO, „nicht nur bei der Gewinnung von
Kunden, sondern auch bei der Beziehung zu ihnen und deren Bindung“. Content
Marketing schaffe Nähe und dadurch eine ideale Basis für Austausch sowie Raum
für Innovation und neue Geschäftsfelder. Geht es nach Philipp, darf der
monetäre Effekt nicht übersehen werden: „Was
vielfach fehlt ist die eigentliche Wertschöpfung von
Content-Marketing-Strategien für den Endkunden, und daraus resultierend
eine erfolgreiche Conversion auf die Kampagne“, gibt er zu bedenken. Viele Schweizer
Unternehmen würden den Dialog mit
dem Kunden und die vielfältige Channel-Auswahl noch zu spärlich nutzen. „Hier
haben wir noch Luft nach oben.“
Gute Ideen fürs Storytelling
Die neue Nähe zum
Kunden wird hauptsächlich über „Storytelling“ hergestellt – eine Disziplin, die
tief in den Kulturen verankert, im Content Marketing aber jung und ausbaufähig
ist. Welche Aspekte sind entscheidend dafür, dass fesselnde
Geschichten ihre Wirkung im Marketing voll entfalten können? „Beim Storytelling verhält es sich ähnlich
wie beim Content Marketing“, stellt Walz fest, „es geht um Leidenschaft, um
gute Ideen und hochwertigen Inhalt“. Dabei werde ein Aspekt jedoch immer
wichtiger: die Möglichkeit der individuellen Entwicklung. „Die Kunst liegt also
darin, eine Geschichte zu beginnen, aber dann eine aktive Beteiligung zu
ermöglichen“, betont Walz. Damit werde der Ausgang einer Geschichte dynamisch
und individuell, was über Erfolg oder Misserfolg entscheiden könne. Tatsächlich
sind viele Geschichten zwar gut verlinkt, aber nur manche werden geliked,
geshared oder geplusst und erzeugen damit den fürs Suchmaschinen-Ranking
nötigen „Social Buzz“. Und die Zahl derer, die den gewünschten viralen Effekt
auslösen, ist noch geringer. „Der Kunde muss angesprochen und Mittelpunkt meiner Geschichte sein. Er muss begeistert und emotional abgeholt werden“,
weiss Philipp und spricht die Fehlerquelle an: „Dazu muss ich den Kunden und
das angesprochene Segment sehr genau kennen.“ Ein anderes
Problem liegt auf der operativen Ebene. „Unternehmen
sollten nicht versuchen, Journalismus vorzugaukeln“, rät Bandi, „wenn sie
Storytelling als Stilmittel nutzen wollen, dann müssen sie das Profis
überlassen“. Da aber nicht jedes Unternehmen Journalisten anstellen und einen
Newsroom betreiben kann, kommen seiner Meinung nach hier Corporate-Publishing-Dienstleister
ins Spiel, die im Gegensatz zu Werbeagenturen oft über einen publizistischen
Hintergrund verfügen. „Insbesondere als Teil von Mediengruppen sind sie es sich
gewohnt, Geschichten zu erzählen“, sagt Bandi. Ein dezenter Hinweis darauf, wie
wirksam Massnahmen wie etwa PR mit der nativen Art der „Werbung im bekannten
Umfeld“ verknüpft werden können.
Quelle: M&K Marketing und Kommunikation
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